Flop 5 der mongolischen Politik

By Julian Dierkes

Ich höre inzwischen sehr gerne Podcasts, sei es um die Bundesliga zu verfolgen, kanadische Nachrichten besser zu verstehen, oder auch Entwicklungen in Deutschland nicht ganz aus dem Auge zu verlieren.

Einer meiner Lieblingspodcasts in diesem Zusammenhang ist “Das Politikteil” als Teil des Zeit-Podcastimperiums. Die Zeit Moderatoren sind selbstverständlich sehr gut informiert, haben aber auch immer gute und tiefgreifende Fragen für ihre Gäste. Wer schon mal das Politikteil gehört hat, weiss dass es dabei auch ein paar wiederkehrende Rubriken gibt, wie z.B. ein Geräusch, was Gäste mitbringen, oder aber auch die “Flop 5”.

Mit großem Schrecken musste ich in der letzten 2022 Ausgabe hören, dass die Reaktion offensichtlich die “Flop 5” abschaffen will, auch wenn noch die HörerInnenreaktion abgewartet werden soll.

Flop5 Behalten

Was gefällt mir denn an den Flop5? Erstmal mag ich Rubriken in Podcasts generell gerne, weil sie den Folgen etwas Struktur geben und regelmäßige HörerInnen belohnen.

An den Flop5 gefällt mir aber v.a. auch, dass ich mich in die GästInnen versetzen kann und meine Flop5 im Bezug auf meine Expertise auch gerne loswerden würde.

Das tolle am Politikteil ist ja a) die Tiefe, in die Gespräche gehen können, und b) die Interaktivität der Unterhaltung mit einer/m ExpertIn. Deshalb find ich aber auch, dass GästInnen etwas anbringen können sollen, da wir als ExpertInnen ja auch oft genug mit JournalistInnen sprechen, die danach alle möglichen Aspekte eines Themas hervorheben, die wir so gar nicht relevant finden, die Flops nämlich. Und es macht doch auch ein bisschen Spaß solche Klischees zu dissen, oder?

Änderungsvorschlag

Aber, ich verstehe schon, warum über eine Abschaffung der Flop5 nachgedacht wird. Zwei Gründen fallen mir dazu besonders ein: a) machmal sind 5 zu viele, und b) oft ist es für ExpertInnen, glaube ich, schwierig zu unterscheiden, was sie an dem Gegenstand ihrer Expertise nervt, und was sie an den Diskussionen über den Gegenstand ihrer Expertise nervt.

Also, vielleicht Flop3, auch wenn sich das nicht einmal fast reimt? Und, strengere Anweisungen an die ExpertInnen sich wirklich an den Diskurs über das Phänomen zu halten, nicht das Phänomen selber?

Alternative?

Vielleicht ist das zu akademisch gedacht, aber die meisten ExpertInnen können auf Erklärungsansätze verweisen, die ihren eigenen gegenüberstehen. Vielleicht könnten sie diesen Ansatz benennen und sich selber kurz damit auseinandersetzen. Als Rubrik vielleicht “Das Widerspenst”? Zu klever?

Für den Fall der Abschaffung: Meine Flop5 der mongolischen Politik

Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass das Interesse an der mongolischen Politik in Deutschland so stark ist, dass ich als Gast zum Politikteil eingeladen werde, hier deshalb schon mal sicherheitshalber meine Flop der mongolischen Politik, also fünf Ausdrücke, von denen ich mir wünschen würde, dass sie aus Diskussionen über die mongolische Politik verschwinden sollten.

1. Dschingis Khaan

Oh ja! Wenn es schon einen 1980er Schlager über einen historischen Politik des Themas gibt ist das ja ein klarer Indikator, dass dieser Aspekt nie mehr genannt werden sollte. Aber, leider, gibt es fast keinen Artikel über die Mongolei, der nicht auch einen Hinweis auf den großen Khaan beinhaltet. In diesem Zusammenhang möchte ich explizit darauf Hinweisen, dass z.B. mein Artikel für Foreign Policy im Oktober 2022 das mongolische Reich in keinster Weise erwähnt hat.

2. “Die Mongolei, ein Land zwischen Russland und China”

Oder, noch häufiger in der englischen Version, “a landlocked country between Russia and China”. Ja ja, es stimmt ja, dass die Mongolei als Binnenland zwischen Russland und China eingeschlossen ist. Und ja, dass ist für die mongolische Politik auch ein sehr wichtiger Faktor, vielleicht schon fast im Sinne eines geografischen Determinismus, zumindest was die Aussenpolitik angeht. Und ja, die meisten ZuhörerInnen/LeserInnen wissen oft ja gar nicht wo die Mongolei liegt oder dass sie nicht ein Teil Chinas ist, aber… ich bin diesen Satz einfach leid.

3. Politische Verschwörungen

Ein Großteil der Erklärungen für politische Entwicklungen die mir meine vielen mongolischen Kontakte anbieten sind letztendlich politische Verschwörungen, entweder innerhalb der mongolischen Parteien oder Komplotte die chinesische oder russische Geheimdienste und andere Akteure schmieden. Wie bei allen Verschwörungstheorien ist der Hauptfehler hier, dass diese unwiderlegbar sind. Die große Gefahr im mongolischen Kontext ist aber auch, dass diese Verschwörungen mongolischen WählerInnen jegliche agency absprechen um Veränderungen herbeizuführen. Es ist aber genau diese Möglichkeit Veränderungen herbeizuführen, die MongolInnen von BürgerInnen so vieler Länder unterscheidet, die keinerlei demokratische Rechte haben.

Verschwörungstheorien sind immer dann ganz präsent wenn es um Demonstrationen geht. Als am 5.12. z.B. Proteste ausbrachen und u.a. auch der Regierungspalast gestürmt wurde, haben viele mongolische Kontakte mich belehrt, dass das alles nur durch Präs. Khurelsukh inszeniert sein, weil er damit den Parteikongress beeinflussen wollte, der die Woche stattfinden sollte. Diese Erklärungen haben mich in dem Moment so genervt, dass ich für The Diplomat gleich einen Artikel geschrieben habe um andere Erklärungen anzubieten. Wenn man sich anschaut, wie sich die Proteste über zwei Wochen entwickelt haben, hatte ich wohl recht.

Die internationalen Verschwörungen sind ähnlich unproduktiv. Meisten glaube ich einfach nicht, dass die Mongolei den Regimes in Moskau oder Beijing wichtig genug sind um tatsächlich die Ressourcen zu investieren, die für große Verschwörungen notwendig wären. In diesem Zusammenhang war ich während meines letzten Mongolei-Besuchs im November 2022 sehr enttäuscht, dass sich keine Spione aus der russischen oder chinesischen Botschaft gemeldet haben, nachdem ich deren Kommentare zu meinen Analysen hier doch explizit eingeladen hatte.

4. Die holländische Krankheit und auch Ressourcenfalle

Fast jeder journalistische Artikel in europäischen, australischen oder nordamerikanischen Medienprodukte der letzten 15 Jahre muss über den Bergbau in der Mongolei schreiben. Klar ist das ein wichtiges Thema, für die Wirtschaft sogar das Thema, aber eben nicht das einzige Thema.

Aber nein, Mongolei ist nicht von der holländischen Krankheit befallen und das war auch nie eine Gefahr, denn dabei geht es ja v.a. um Wechselkurse und inländische Inflation, die durch die ausländischen Rohstoffverkäufe geschürt wird. Und inländische produzierende Industrie, die durch die Währungsentwicklung gefährdet wäre, gibt es ja auch nicht.

Klar, die Ressourcenfalle, also viele Rohstoffe = stagnierende oder negative Entwicklung von vielen Wohlstandsaspekten, ist eine Herausforderung, aber wiederum ja nicht die einzige Herausforderung für die Mongolei oder selbst für die Bergbauindustrie.

5. Politisches Macho-Gehabe

Das ist jetzt ein Flop weniger in der Berichterstattung über die Mongolei oder in der Analyse der dortigen Entwicklungen, sondern in der mongolischen Politik selber. Warum müssen sich mongolische Politiker (ja, hier nicht -Innen) immer in diese engen Anzüge zwängen um ihren Muskelbau vorzuweisen. Ganz unangenehmes Putin-Verhalten. Und die Sicherheitsmannschaften um Politiker herum sind da noch viel schlimmer. A) wie groß ist denn die Bedrohung von mongolischen Politikern, selbst vom Präsidenten tatsächlich. Es gibt keinen Terrorismus in der Mongolei, nicht mal die sog. Oligarchen sind hier mörderisch. Das ist doch alles nur eine große Männlichkeits- und Machtdemonstration. B) Müssen die Sicherheitsleute wirklich wir eine Karikatur amerikanischer Secret Service Leute aussehen? Der Knopf im Ohr, der hässliche Anzug, die Sonnenbrille? Muss das wirklich sein? Wie wäre es denn mal, wenn mongolische Politiker stattdessen BürgerInnennähe demonstrieren würden?

Meine Hoffnung

Liebe Politikteil-Redaktion: Ich hoffe, dass die “Flop 5” Teil der Folgen bleibt. Oder, wenn Ihr sie schon abschaffen wollt, dann ladet mich doch wenigstens mal zu einem Gespräch über die Mongolei ein. 😉

About Julian Dierkes

Julian Dierkes is a sociologist by training (PhD Princeton Univ) and a Mongolist by choice and passion since around 2005. He teaches in the Master of Public Policy and Global Affairs at the University of British Columbia in Vancouver, Canada. He toots @jdierkes@sciences.social and tweets @jdierkes
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